Die goldene Apis - Das Siegerprojekt stellt sich vor: Weltpremiere zur Rettung einer historischen Pflanzensammlung
Es waren zwölftausend Belege getrockneter und gepresster Pflanzen von unschätzbarem Wert für die Nachwelt, vom Klagenfurter Pharmazeuten Alois Traunfellner von der „Apotheke vorm Lindwurm“ Anfang des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich erfasst, bestimmt, beschriftet und archiviert – und doch dem Verderben preisgegeben. Sie lagerten Jahrzehnte lang unbeachtet in einem Depot in der Klagenfurter Burg und wurden nach einem Wasserrohrbruch durch Feuchtigkeit und Schimmelbefall schwer beschädigt. Pflanzen-Anatom Roland Eberwein, Leiter des zum Landesmuseum gehörenden Kärntner Botanikzentrums im Botanischen Garten Klagenfurt entdeckte den Wert der Pflanzensammlung, die „Unmengen an Belegen“ über die Kärntner Flora, Alpenpflanzen und exotische Pflanzen enthält und einst von Traunfellner dem Stift St. Paul im Lavanttal geschenkt und später dem Naturhistorischen Landesmuseum in Klagenfurt übergeben worden war, im Jahr 2001.
“Das wertvolle Traunfellner Herbarium lagerte in losen Bündeln im Archiv.”
Eberwein erinnert er sich und führt das größte Problem an: Etwa 300 Pflanzen, ursprünglich lose eingelegt zwischen Papierbögen und Umschlägen, die später von gefährlichem Schimmel zersetzt wurden, klebten zwischen Papierschichten fest und konnten nicht vom Untergrund gelöst werden. Wie könnte man die Pflanzen vom Papier befreien, ohne dass beides beschädigt wurde, war die große Frage, die das Botanikzentrum Jahre lang beschäftigte. Kontinuierlich wurde trotz Personalmangel intensiv nach Lösungen gesucht. Besonders involviert war Bibliothekarin Sonja Kuß, für die das Aufbewahren eines Herbariums ein „kultureller Auftrag“ ist. Inspiriert von der neuen Herausforderung, absolvierte die Literaturwissenschafterin zahlreiche Fachkurse zur Papierrestaurierung, um Methoden zu erlernen, das Traunfellner-Herbarium, das von globaler Bedeutung ist, der Wissenschaft zugänglich zu machen.
Sie war es dann auch, die die Idee für ein neuartiges Verfahren von internationaler Relevanz entwickelte: Nach vorsichtiger Befeuchtung, Trennung und Reinigung der Papierlagen bestrich Sonja Kuß Japan-Papier, ein handgeschöpftes, hauchdünnes, aber reißfestes Papier mit langen Fasern, mit einem lösbaren Kleber aus Weizenstärke und drückte es sanft auf die Pflanzenteile. Nach erfolgter Antrocknung wurde das Japanpapier abgezogen und die darauf haftenden Pflanzenteile waren verkehrt – invers – auf dem Japanpapier fixiert. „Wir mussten herausfinden, wie lange wir den Kleber anreiben müssen, damit sich das Bild löst, das Papier aber an den Stellen hält, an denen ich es abziehen möchte“, schildert Sonja Kuss die langwierige „Übungssache“. Nach erfolgreicher Ablösung der Pflanzen wurden sie auf Herbarkarton aufgespannt und fachgerecht archiviert. „Wir sind weltweit die ersten, die mit dieser Methode Erfolg hatten und damit ein Archiv nutzbar gemacht haben“, freuen sich Kuss und Eberwein, die die gesamte Sammlung mit zwölftausend Pflanzen in zeitaufwendiger Feinarbeit restauriert haben.
Besonderheiten des Traunfellner Herbariums sind die ursprüngliche systematische Ordnung gemäß dem „Systema Vegetabilium“ von Carl von Linné und Typusbelege damals neuer Arten aus fernen Weltgegenden. Derartige „sensationelle Funde“ seien auch wertvoll für die Erforschung von Neophyten, die invasiv und giftig sein könnten, hebt Eberwein einen der Nutzen von Herbarien hervor.
Um zu wissen, ob ein Neophyt aufgrund seiner Gefährlichkeit in der EU verboten sei wie zum Beispiel der bei uns vorkommende, hochgiftige Riesenbärenklau aus dem Kaukasus, brauche man Vergleichsmaterial aus dem Herbar. „Eine Pflanze nach einem Foto im Internet zu bestimmen, ist nur eingeschränkt möglich“. Das Traunfellner-Archiv liefere auch eine Menge an Auskünften über Anzucht im Garten, so Eberwein, der als Morphologe zu den wenigen Experten gehört, die sich mit dem Erscheinungsbild der Pflanze und ihrer Funktion befassen. Durch Traunfellner wisse man, was in den letzten Jahrhunderten kultiviert wurde und was aufgrund wärmerer Winter heute nicht mehr möglich sei. So lasse sich durch ein Herbarium auch der Klimawandel nachweisen. Enorm wichtig sei das Traunfellner Herbarium zum Vergleichen bei Bestimmungen aktuell vorkommender Arten und zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten, betont Eberwein. „Herbarien sind historische Dokumente für Studien- und Lehrzwecke, ein Spiegel der Zeit, ihrer Interessen und Probleme, geben einen Überblick über die botanische Vielfalt und zeigen auch, was erhalten geblieben und was verloren gegangen ist“.
Herbarien sind Sammlungen gepresster und getrockneter Pflanzen, die auf Archivkarton befestigt und mit Daten versehen werden. Sie sind Grundlagen für wissenschaftliche Arbeiten und umfassende Quellen zu Biodiversität und deren Veränderung, sowie zu Biotechnologie und Kulturgeschichte. Die ersten Herbarsammlungen entstanden im frühen 16. Jahrhundert in Italien und England. Viele werden heute noch verwendet. Weltweit sind 3000 Herbarien in einer Datenbank erfasst.
Das Kärntner Landesherbar umfasst mehr als 205.000 Belege von Blütenpflanzen, Nadelgehölzen und Farnen, sowie 67.000 Belege von Algen, Moosen, Pilzen und Flechten. Hinzu kommen Sondersammlungen von Hölzern, Früchten, Samen und Pflanzendrogen sowie 12.000 Pflanzenfossilien.
Zu den Besonderheiten des Landesherbars gehört das Algen-Herbarium des k & k – Flottengenerals Maximilian Freiherr von Sterneck (1829 – 1897). Die filigranen Gebilde aus der Oberen Adria wurden früher sogar auf Visitenkarten verwendet. Das Herbarium im Museum der Stadt Villach ist das zweite in Kärnten.
Standort: Kärntner Botanikzentrum, Prof.-Dr.-Kahler-Platz 1, 9020 Klagenfurt
Kontakt: roland.eberwein@kaernten.museum
Wir gratulieren zum Kärntner Biodiversitätspreis "Die goldene Apis 2025"
Das Kärnten.Musuem gewinnt mit dem Projekt "Restaurierung des Herbariums von Alois Traunfellner" in der Kategorie Bildungsinstitutionen & Hobbyforscher:innen den Kärntner Biodiversitätspreis "Die goldene Apis".