Die goldene Apis - Das Siegerprojekt stellt sich vor: Neo-Landwirte, deren Pioniergeist wahrlich Früchte trägt
Es sieht so aus, als könnte man bald zum Törggelen geladen werden. Die ersten Kärntner Kastanien gibt es schon, sie fallen jetzt im Herbst von den Bäumen, der Wein soll bald auf den sonnigen Hügeln hinter dem Hof reifen. Vieles, was es andernorts nicht gibt, ist bereits Alltag auf dem Simon Hof in Mittertrixen, wo auch der sehr seltene Tauernroggen gedeiht, der mit einem völlig neuen Verfahren aufgeschlossen wird, wo die Ackerbohne erstmals wieder angebaut wird und ein österreichisches Innovationsprojekt zur Erforschung eines Mittels gegen den Kastanienrindenkrebs initiiert wurde. Es muss ein guter Nährboden für Innovationen sein, das Grün- und Ackerland rund um den Simon Hof, bei dessen Anblick man sich in einer Bilderbuch-Idylle wähnt. Dass sie nicht von alleine kommt, sondern mit Fleiß geschaffen und erhalten werden muss wird sofort klar, wenn man Martina und Mario Payer kennenlernt.
Das Neo-Landwirte-Paar hat den wunderschön gelegenen und gepflegten, aber landwirtschaftlich weitgehend stillgelegten Erbhof von Martinas Eltern übernommen, die Streuobstwiese mit wertvollen alten Sorten revitalisiert, damit ein Paradies für viele Tierarten und einen Genpool geschaffen, Baumhöhlen für Vögel, Fledermäuse, Insekten und Nistkästen für Zwergohreulen angelegt, neue Pflanzen und Anbauarten etabliert und die Marke „Karinta“ für ihre Produkte kreiert.
Vor acht Jahren wurde nach zweijähriger Planung auf einem Hektar die erste Edelkastanienplantage Kärntens mit unterschiedlichsten Sorten errichtet. „Es hieß, Edelkastanien würden in Kärnten nicht wachsen und wir wurden sehr belächelt“, erinnert sich Mario Payer, als Wirtschaftsingenieur, der bei der Caritas arbeitet, ein Quereinsteiger in der Landwirtschaft. Mittlerweile haben die Pioniere auf 400 Bäume auf drei Plantagen aufgestockt. Den Wühlmäusen wirkt man ökologisch mit Förderung ihrer Fressfeinde durch Mauswieselhöhlen und Ansitzstangen für Greifvögel entgegen. „Man unterschätzt, wie viel Arbeit und Liebe in so einem Projekt stecken, aber es hat sich gelohnt“, sagt Martina Payer, die nach dem Studium der Anglistik und Medienwissenschaften hauptberuflich in den Bereich der Nahrungsergänzungsmittel eingestiegen war und seit 2023 Betriebsleiterin am Simon Hof ist.
Unermüdlich suchten die Neo-Landwirte präventiv nach einer Möglichkeit, den zerstörerischen „Kastanienrindenkrebs“, einer von Sporen übertragenen Pilzerkrankung bei Kastanienbäumen, zu besiegen. Nach intensiven Recherchen entdeckte Martina, dass es einen Schlauchpilz gibt, der sich als Parasit von anderen Pilzen ernährt.
Nach Anwendung in einem Labor konnte die Vermehrung des Pilzes, der den Kastanienrindenkrebs verursacht, zu hundert Prozent gestoppt werden. Für die teure wissenschaftliche Überprüfung suchten Martina und Mario als private Landwirte institutionelle Partner, um ein förderfähiges EU-Projekt einreichen zu können. Nach langem Bemühen wurden sie bei der Europäischen Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit EIP-AGRI fündig. Die 130 Seiten lange Projektbeschreibung wurde 15 Minuten vor Ablauf der Zeit eingereicht, lacht Martina Payer, die die erste Privatperson ist, die ein derartiges Projekt, das von einer Dissertantin und der Versuchsanstalt Haidegg begleitet wird, leitet.
Auf der Suche nach regionalen Kulturen und Pflanzen, die eine „gewisse Biodiversität“ bieten, kam das Paar, das unter der Woche vorwiegend in Graz lebt und sich daheim auf einen mithelfenden Nachbarn verlassen kann, auf eine uralte Winterroggensorte, die nur noch im Lungau angebaut wird: Sie braucht weder Düngung noch Pflanzenschutzmittel, ist pflegleicht und kaum anfällig für Krankheiten: der Tauernroggen. Er wird nun mit Saatgut aus dem Lungau das vierte Jahr angebaut. Der Ertrag ist bei maximal zwei Tonnen pro Hektar gering, „Er wächst als alte Sorte bis zu zweieinhalb Metern hoch und entkommt so der Bodenfeuchte“, sagt Martina, die Risotto-Roggen erzeugen wollte. Doch wie könnte er so bearbeitet werden, dass die Stärke im Korn eine cremige Konsistenz erzeugt, war die große Frage. „Es war ein langer Weg dorthin“, sagt Martina Payer, die wieder innovatives Gespür zeigte. Als das Schälen des Korns als Möglichkeit ausschied, entdeckte sie die Alternative des Schleifens an gewissen Stellen. „Ich habe in Mühlen in ganz Europa und sogar in China eine passende Schleifmaschine gesucht“, erzählt sie von einer Odyssee, die sie auch nach Deutschland führte, wo sie schließlich „zufällig“ fündig wurde. Eine 100.000 Euro teure Maschine wird nun mit einem regionalen Partner gemeinsam in Betrieb genommen. „Unser Roggen ist der erste, der geschliffen wird“. Das Ergebnis, das Roggen-Risotto, wird an die Spitzengastronomie verkauft, ist bei Interspar und in Lagerhäusern im Bauernregal sowie weiteren Partnern erhältlich.
“Wir möchten das Potenzial des Hofes nutzen und naturnah sein. Wir sind Menschen, die etwas bewegen wollen.”
Zwischen den Äckern wurden Biodiversitätsflächen für artenreiche Flora und Fauna angelegt, auf Spritz- und Düngemittel wird verzichtet. „Uns ist wichtig, die genetische Vielfalt zu erhalten. Wir wollen die Biodiversität stärken, um heimische Arten zu retten“, sagen die beiden, die die proteinreiche und nahrhafte Ackerbohne erstmals wieder in Österreich für die menschliche Nahrung und als Leguminose, die Stickstoff aus der Luft in Form von Knöllchenbakterien in den Boden einbringt, als Dünger für den Roggen in Fruchtfolge angebaut haben. Doch die gesamte Ernte fiel heuer im August der Trockenheit und infolge dem Ackerbohnenkäfer zum Opfer. „Das ist sehr traurig“. Doch aufgeben wollen die Eltern von zwei Töchtern nicht. Im Gegenteil. Irgendwann möchten sie in den landwirtschaftlichen Vollerwerb gehen. „Es ist ein Generationenprojekt“. Das Anlegen von Hecken und Feuchtgebieten, um Lebensraum für Flora und Fauna zu schaffen, steht auf dem Programm „Agroforst“ des Ehepaares, das ressourcenschonend Nischenprodukte erzeugen will.
Standort: Simon Hof, Führholz 5, 9102 Mittertrixen
Kontakt: kontakt@karinta.at
Homepage: www.karinta.at, EIP AGRI Projekt Castanea: www.eip-castanea.at
Wir gratulieren zum Kärntner Biodiversitätspreis "Die goldene Apis 2025"
Der Simon Hof gewinnt mit dem Projekt "Biodiversität & Wirtschaftlichkeit im landwirtschaftlichen Fokus" in der Kategorie Landwirtschaftliche Betriebe den Kärntner Biodiversitätspreis "Die goldene Apis".