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Schmetterlinge sterben: Wie du zum Artenschutz beitragen kannst
#Nachhaltigkeit

Schmetterlinge sterben: Wie du zum Artenschutz beitragen kannst

Adolf Winkler
03 März
„Es ist 20 nach 12 für die Natur!“ schlägt der Insektologe Dr. Christian Wieser Alarm. Zum Tag des Artenschutzes erklärt er im Gespräch mit Adolf Winkler, wie jeder zum Schutz der Biodiversität beitragen kann.
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Wie viele Arten haben Sie hier im Sammlungs- und Wissenschaftszentrum des kärnten.museum gehortet?
CHRISTIAN WIESER: Genau kann man das nicht sagen. Es sind Hunderttausende Individuen - allein in der Insektensammlung bis zu 600.000 Stück. 

Sie sind als Entomologe, Insektenforscher auf Schmetterlinge spezialisiert. Nach Ihnen sind auch mehrere benannt, die Sie entdeckt haben.
WIESER: Zum Beispiel die Ancylis christiandiana oder die Elachista wieseriella, die als erster Neufund im Rahmen der Forschungstätigkeit auf der Mussen im Lesachtaltal entdeckt wurde. Ein weiterer spezieller Fund war die Rhigognostis scharnikensis auf dem Scharnik in der Kreuzeckgruppe. Es ist eine Art, die in den höchsten Lagen von 2500 bis 3000 Meter auf Schneefeldern vorkommt. Ihre nächste Verwandte ist in Sibirien zu Hause.

 

Wie bedroht ist diese fantastische Vielfalt?
WIESER: Die Intensivflächen werden immer größer und die Naturflächen, die von solchen Tieren besiedelt werden können, werden immer kleiner. Damit geht selbstverständlich ein massiver Individuenschwund einher - und früher oder später auch ein Artenschwund. Wir wissen natürlich  nicht, ob eine Art bereits ausgestorben ist oder nicht. Das ist sehr schwer nachzuweisen. Es kann immer noch irgendwo eine kleine Restpopulation bestehen, die aber dann leise verschwinden wird. Schmetterlinge sterben leise.

 

Der stille Tod der Schmetterlinge ist auch der Titel einer Global 2000-Studie, die in Österreich den Rückgang der Insekten als dramatisch bezeichnet.
WIESER: Das kann man nur bestätigen. Mit dem Verlust der Naturflächen ist auch der Verlust der Insekten massiv. In Restbiotopen gibt es natürlich noch viele Arten. Es gibt Standorte, an denen man locker 1000 Insektenarten nachweisen kann.

Als speziell gelten endemische Arten, also solche, die weltweit nur an einem bestimmten Ort vorkommen. In Kärnten gilt die Koralpe als ein endemisch wichtiger Berg.
WIESER: Prinzipiell ja, aber Schmetterlinge sind sehr flugaktiv, daher sind bei diesen Endemiten bei denen kaum vorhanden.

 

Die Gegenwart von Insekten, von Schmetterlingen gilt als wichtiger Indikator für die Biodiversität eines Biotops. Würde sich etwa der Bau von Windkraftwerken ausgerechnet auf der Koralpe mit dem Artenschutz für Endemismen vertragen?
WIESER: Das ist schwer zu sagen. Es gibt Arten, die durch ein Windrad natürlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Das betrifft eher größere Arten wie Vögel oder Fledermäuse. Für die Insekten wäre eher die Verbauung durch Zufahrtstraßen ein Thema.

 

Wie dringlich ist die Abkehr von Intensiv- hin zu Biolandwirtschaft für die Biodiversität?
WIESER: Die Biodiversität von Pflanzen ist Voraussetzung für eine hohe Biodiversität an Tieren. Fast jede Art ist auf einer anderen Pflanzenart zu Hause. Je weniger Pflanzen es gibt und je geringer die Vielfalt an Pflanzen ist, desto geringer wird auch die Vielfalt an Tieren sein.

 

Worauf darf man bei der im kärnten.museum geplanten Ausstellung zur Biodiversität gespannt sein?
WIESER: Prinzipiell ist das Ziel, zu zeigen, was es in Kärnten noch gibt sowie was in Kärnten unternommen wurde und wird, um die Biodiversität zu erhalten. Dazu haben wir die Naturschutzorganisationen als Partner eingeladen, um darstellen zu können, was man machen kann. Und jeder kann etwas zur Unterstützung der Artenvielfalt tun.

 

Auch die Kärntner Sparkasse heftete sich das Thema Biodiversität auf die Fahnen, sie unterstützt auch das kärnten.museum, um das Bewusstsein zu erhöhen. Was kann jeder für Biodiversität tun?
WIESER: Allein, wenn ich einen Garten habe, muss ich nicht jeden Quadratmeter intensivst mit dem Rasenroboter malträtieren. Das ist der Tod der Artenvielfalt. Intensiv genutzte Flächen sollen auch weiterhin gepflegt sein. Aber es gibt in jedem Garten so viele Bereiche, die nicht jede Woche niedergeschoren werden müssen. Unordnung ist mehr Leben im Garten. Wenn man natürliche Vegetation sich entwickeln lässt und nicht nur Zierpflanzen setzt, sondern auch heimischen Arten eine Chance gibt, dann wird man auch eine Biodiversität bei Schmetterlingen und anderen Tieren haben.

“Unordnung ist mehr Leben im Garten.”

Dr. Christian Wieser

Sie machen auch Biodiversitäts-Lehrausflüge mit Schülergruppen in den Naturparks Dobratsch und Weissensee. Was zeigen Sie den Kindern und Jugendlichen?
WIESER: Sie können zuschauen, wie man unterschiedliche Tierarten erhebt und überhaupt den Kontakt zu den Tierarten erleben. Wer weiß schon, dass es in Kärnten 3000 Schmetterlingsarten gibt?! Selbst Naturliebhaber erkennen vielleicht zehn Arten. Aber es gibt viel mehr zu erleben. Wenn man die Jugend dazu bringt, sich die Natur genauer anzuschauen, umso besser ist das.

Was ist eine besonders prominente Schmetterlingsart in Kärnten?

WIESER: Eine Flaggschiffart ist der Schwalbenschwanz. Sie benötigt in der ersten Generation Naturwiesen, Magerwiesen. In der zweiten Generation kommen diese Tiere sogar in die Gärten. Da leben die Raupen dann gerne auf Dille oder Karottenkraut. Man kann sie auch am Stadtrand und in der Stadt sehen.

Wer vom Kleinen Fuchs spricht, meint auch nicht das pelzige Raubtier.
WIESER: Viele Namen von Schmetterlingen sind interessant. Der Kleine Fuchs hat eine ähnliche Färbung wie ein junger Fuchs. Er lebt gerne auf Brennnesseln, ist ein Überwinterer und der erste Frühlingsbote im Jahr.

Wie alt werden Schmetterlinge?
WIESER: Bei uns wird der Zitronenfalter am ältesten. Er schlüpft schon im Juli-August, überwintert als Schmetterling und legt seine Eier erst im Mai. Er schafft bis zu zehn Monate. Zählt man das Entwicklungsstadium als Raupe hinzu, können sie wie der Weidenbohrer vier bis fünf Jahre alt werden.

Sie waren auf der ganzen Welt unterwegs, um Schmetterlinge zu entdecken, zu fangen, zu bestimmen. Über welchen Fund freuen Sie sich am meisten?
WIESER: Wenn man die heimische Fauna kennenlernen will, muss man über die Grenzen schauen. Es war immer mein Jugendtraum, einmal die Tropen zu erkunden. Das war in den Regenwäldern von Französisch-Guayana, wo ich in Kooperation mit einer französischen Forschungsgruppe direkt in die zentralsten Schutzgebiete kommen konnte. Wenn man innerhalb von drei bis vier Tagen tausende Arten sieht, ist das schon sensationell.

In manchen Ländern der Tropen ist man mit dem Naturschutz so weit, dass man Tieren und Pflanzen im Tropenwald einen eigenen Rechtsstatus als Lebewesen zugesteht. Wann müsste das auch bei uns so weit sein, für höheren Schutz der Biodiversität und der Arten?
WIESER: Je schneller, desto besser. Tiere sind bei uns Sachen ohne Rechtsstatus. Ihre Lebensräume können im Rahmen der Gesetze ohne jede Konsequenz zerstört werden. Punkto Biodiversität stehen wir nicht 5 vor 12, sondern 20 nach 12. Es wird nie wieder so werden, wie es war. Es wird anders. Viele Arten werden eingeschleppt, es kommen neue aus dem Süden dazu, andere werden verschwinden. Wie gesagt: Schmetterlinge sterben leise.In den nächsten 100 Jahren werden wir viele Arten verlieren.

Obwohl sich die Europäische Union und Österreich eine Biodiversitätsstrategie bis 2030 zugelegt haben?
WIESER: Ein grünes Pickerl allein ist zu wenig. Man muss auch etwas tun.

 

Das Interview wurde geführt von: Adolf Winkler

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