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Kommt ein Comeback der Klagenfurter Innenstadt?
#Innovation #Nachhaltigkeit #Neuer Platz 14

Kommt ein Comeback der Klagenfurter Innenstadt?

24 Februar
Bausünden kritisiert er pointiert, gebaute Vernunft lobt er ehrlich. Reinhard Seiß, Raumplaner, Berater und Filmemacher in Personalunion, glaubt an ein Comeback der (Klagenfurter) Innenstadt. Das und vieles mehr, verrät er uns in einem Interviewgespräch.
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Kurze graue Haare an den Schläfen, prüfende Augen. Der Beobachter ist Reinhard Seiß anzusehen. Wenn er sich in – konstruktive – Rage geredet hat, fallen mitunter auch harte Worte: „Sünde“ oder „Beleidigung“. Seiß kann pointiert formulieren und ist sich dessen bewusst. Deshalb wird der Raumplaner immer wieder dann hinzugezogen, wenn die unverblümte Wahrheit gefragt ist. Oder eine andere Perspektive.

Ruhe kennt er auch sonst nicht, er ist dann eben in eigenem Auftrag unterwegs und durchstreift die (Innen-)Städte des Landes: „Raumplanung bedeutet, ganzheitlich zu denken. Es ist ein interdisziplinäres Studium und beschäftigt sich mit allem, was über die Architektur eines Einzelgebäudes hinausgeht. Das kann eine Gemeinde sein, eine Stadt oder sogar eine ganze Region, die man räumlich, infrastrukturell, ökologisch, aber auch wirtschaftlich oder kulturell betrachtet.“

“Wenn wir wirklich das für das Schöne begnadete Volk sind, dann sind unsere Innenstädte ein Armutszeugnis für unsere kulturelle Verfassung.”

Reinhard Seiß

Es sind ausführliche Steifzüge durch Stadt und Land, die in sein Urteil einfließen. Die Resultate, werden regelmäßig in Artikel-, Ausstellungs- und Buchform gegossen: In „Der Blick von außen“  beschäftigt sich Seiß mit der Kärntner Landeshauptstadt.

Die aktuelle Bauepoche.

Auf die Frage, wie er unsere heutige Bauepoche nennen würde, meint er: „Es herrscht der Destruktivismus, der in kurzer Zeit viel zu viel zerstört. Ich glaube so ehrlich müssen wir sein: Wir sind auch beim Bauen auf dem falschen Weg, es ist fünf Minuten nach zwölf.“ 

Man könnte meinen, der gebürtige Steyrer fühle sich als Zeitzeuge immer schnellerer Zerstörung, aber auch hier hebt Seiß die Hand: „Das stimmt nur bedingt. Ja, es passiert viel Unsinn, bei dem man sich oft nur auf den Kopf greifen kann. Aber es gibt auch immer wieder sehr positive Beispiel für gelungene Stadtplanung. In Österreich ist Lienz ein gutes Vorbild. Dort funktioniert die Innenstadt noch so, wie es sein sollte: mehrheitlich autofrei und mit Häusern, in denen im Erdgeschoss Handel und Gastronomie, in den Stockwerken darüber Büros und ganz oben Wohnung sind. Dieser kleinteilige Nutzungsmix erzeugt Urbanität. Und an der Peripherie hält man den Handel klein und versiegelt nicht alles mit Beton. Wenn wir über die Grenzen hinausschauen, dann sehe ich viel Positives in der Schweiz. Auch dort gibt es monströse Bauten an den Einfallstraßen, aber es bleibt dort das meiste im Rahmen.“

Umbau Neuer Platz als Vorzeigemodell.

Zurück nach Klagenfurt, wo die Kärntner Sparkasse ihr Stammhaus in der Innenstadt nicht nur entkernt, sondern als verbindendes Element in der Innenstadt gestaltet. „Das ist positiv. Die Entwicklung, Innenstädte zu verlassen, wird inzwischen immer mehr in Frage gestellt. Während Shopping auf der grünen Wiese für die Gesinnung ‚Geiz ist geil‘ steht, steht das Handeln in den Zentren vielfach für Lebensgefühl und Nachhaltigkeit. ‚Autos raus, Qualität rein‘, muss das Motto lauten. Hand in Hand damit sollte nun auch die behutsame Sanierung und Weiterentwicklung historischer Bausubstanz stehen, nachdem man jahrzehntelang geglaubt hat, Handel kann nur auf 2000 Quadratmeter ebenerdig erfolgreich sein. Das ist doch Schwachsinn.“

Den ortet Seiß auch bei einer ganz spezifischen Entwicklung: „Wenn ich mir in Klagenfurt beispielsweise die Völkermarkter Straße anschaue, dann müsste man die ganzen Drive-in-Märkte eigentlich mit der Raupe wegschieben und die Böden entsiegeln.“

Beton und Stein in Klagenfurt.

Dazu komme noch die vermeintliche, seit Jahren leerstehende Architektur-Ikone einer ehemalige Bankzentrale: „So viel Schwachsinn muss einem Architekten erst einmal einfallen. In der Art und Weise zu bauen, bedeutet auch, grundlegende Bedürfnisse der Nutzer sowie sämtliche Gebote der Ressourceneffizienz zur Seite zu wischen. Das Ergebnis ist eine seelenlose, Beton-Stein-Geröllwüste.“

Dies und anderes in Zukunft zu verhindern, sei vor allem Aufgabe der Politik – auf Gemeinde, Landes- und sogar Bundesebene. Unwissenheit sei auf jeden Fall keine Ausrede mehr: „Vor 40 Jahren hätte man das vielleicht noch gelten lassen können. Aber heute wird wider besserem Wissen und Gewissen oft entschieden oder auch der Immobilien-Wirtschaft das Feld überlassen. Gemeinden, die nicht mitspielen, drohen die Investoren oft damit, in die Nachbargemeinde zu gehen und dort zu bauen. Da braucht es einen Schulterschluss. Und auch die Bevölkerung muss dafür sensibilisiert werden.“

„Vergleichsweise entspannt“ sieht Seiß beispielweise die Klagenfurter City Arkaden. Immerhin sei diese in der Innenstadt entstanden und zu Fuß sowie per Rad optimal erreichbar. „Und geparkt wird mehrgeschoßig und nicht auf einer riesengroßen Fläche.“

Drei Dinge um die Trendumkehr zu schaffen.

Es bräuchte drei Dinge um die Trendumkehr zu schaffen: mehr Bemühen, mehr Ernsthaftigkeit und mehr Sorgfalt. „Manchmal sind es auch die kleinen Dinge. Wenn ich durch Klagenfurt gehe und sehe, wie in wunderschöne alte Gebäude lieblose Plastik-Fenster eingebaut werden, dann heißt das für mich, dass Baukultur für viele einfach keinen Stellenwert hat. Insofern ist es wichtig, mit guten Beispielen vorzuzeigen, wie es besser gehen kann.“

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