
Mit Datenströmen zum ersten Kärntner Biodiversitätspreis: Biodiversität sichten und sichern
Es zwitschert vielstimmig im Wald, der zum Natura 2000–Gebiet Lendspitz-Maiernigg gehört und der Laie würde zu gerne wissen, welche und wie viele gefiederte Gesellen die lieblichen Frühlingsrufe von sich geben. „Es sind im Moment 16 Vögel“, sagt Peter Holub mit einem Blick auf sein Smartphone, wo er die KI-App Birdnet installiert hat. Mönchsgrasmücke, Amsel und viele mehr zählt er auf. Aufgenommen wurden die Zwitschertöne in jenem Moment von einem kleinen Akustikrecorder, der ähnlich aussieht wie eine große Computermouse. Die App identifiziert die Vogelstimmen. 112 Vogelarten hat Holub gemeinsam mit Birdlife Kärnten und Mitarbeiter:innen des Vereins Inizia bei Freilandbegehungen seit 2019 im Natura 2000-Gebiet nachgewiesen, 26 Arten wurden zusätzlich über die Plattform ornitho.at gemeldet. Verwendet wurden feststehende und mobile Soundaufnahmegeräte wie Song Meter Micro von Wildlife Acoustics und KI-Software. Die besten Audioaufnahmen und die Dokumentationen sind ganzjährig auf der Website verfügbar. Alle zusammen haben ein Datenvolumen von sechs Terabyte.
Das ist nur ein Baustein im Monitoring-Mosaik des Projekts „Senal“ – Smart Environment/Natura 2000 Living Lab, mit dem Ist-Zustand und Entwicklung der Biodiversität im Natura 2000-Gebiet Lendspitz-Maiernigg erhoben werden. Das 2018 von Peter und Rolf Holub ins Leben gerufene Projekt des Vereins Inizia in Kooperation mit dem Educational Lab am Lake Side Park Klagenfurt erhielt nun den Preis „Die goldene Apis 2024“ der Privatstiftung Kärntner Sparkasse. In das Projekt, das Biodiversitätsmonitoring, Bildungsarbeit und Hochtechnologie verbindet, sind Wissenschaftler:innen aus dem In- und Ausland eingebunden. Die im Projektzeitraum bis 2028 erhobenen, für die Zukunft des Schutzgebietes relevanten Daten werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
“Hochtechnologisches Monitoringsystem liefert Daten, um Zukunft des Natura 2000-Gebietes Lendspitz-Maiernigg zu sichern.”
Zweitausend Arten nachgewiesen
Durch etwa 4000 Beobachtungen und Nutzung modernster Technologien bei der Datensammlung und -auswertung, sowie von technischen Prototypen konnten bisher 160 Pflanzenarten und über 1800 tierische Arten dokumentiert werden, darunter 40 Libellenarten. Den höchsten Schutzstatus unter ihnen genießt die Große Moosjungfer, die am Maiernigg-Teich entdeckt wurde.
Einmalig in Kärnten.
Eine österreichweite Sensation ist der Nachweis von zwei neuen Arten, darunter ein Schmetterling, der noch geheim bleiben muss, sowie die Steppen-Bartfledermaus. Um diese genau bestimmen zu können, wurde sie für eine kleine Blutentnahme kurz eingefangen und besendert. „Das Blut wurde an ein auf DNA-Bestimmung spezialisiertes Labor in Berlin geschickt. Dort wurde die DNA im Zellkern untersucht“, schildert Peter Holub das akribische wissenschaftliche Vorgehen.
Insgesamt wurden 200.000 Rufe streng geschützter oder stark gefährdeter Fledermäuse mit Hightech-Ultraschallaufnahmegeräten akustisch aufgenommen, erzählt Holub. „In einer Nacht konnten 10.000 Einzelrufe protokolliert und 3000 davon identifiziert werden“. Kein Wunder, dass die Datenmenge acht Terabyte beträgt. Auch die als prioritär schützenswert geführte Schmetterlingsart „Russischer Bär“ konnte nachgewiesen werden. Mittels DNA-Barcoding konnten viele geschützte Amphibienarten gefunden werden. Leider wurde auch als zweites Vorkommen in Österreich der eingeschleppte und für einheimische Arten hoch gefährliche „Rote Amerikanische Sumpfkrebs“ entdeckt, bedauert Holub. „Er ist sehr schädlich, frisst Amphibien- und Libellenlarven und tötet unsere heimischen Krebse, die er mit Krebspest infiziert.“
Lebendiger Einblick
Wer das Natura 2000-Gebiet auditiv und visuell erleben möchte, muss sich nicht in Wald oder Sumpf begeben, sondern nur zum Lakeside Park. Dort vermitteln QR-Code-Informationspunkte einen lebendigen Einblick mit Bildern und Tonaufnahmen. Um junge Menschen aktiv in die Naturbeobachtung, Datenerhebung und -auswertung einzubinden, wurden kostenlose Kursangebote an der „BIKO mach MINT“ am Lakeside Park entwickelt. Man wolle Unternehmen, die man motivieren konnte, sich im Bereich Biodiversität verstärkt zu positionieren, in das Projekt einbinden, benennen Peter und Rolf Holub eines der ambitionierten Ziele, zu denen auch Interventionen bei Stadt und Land zur ökologischen Aufwertung bestehender Flächen gehören.
Das Konzept und seine Methoden solle verbreitet werden, um ähnliche Projekte in anderen Gemeinden zu ermöglichen. „Nur die Biodiversität garantiert menschliches Leben auf unserem Planeten. Je größer sie ist, desto mehr Möglichkeiten stehen uns und den nächsten Generationen offen“.
Wir gratulieren zum ersten Kärntner Biodiversitätspreis "Die goldene Apis"
Das Projekt "SENAL" gewinnt in der Kategorie Vereine, Bildungseinrichtungen und Kooperationsprojekte den ersten Kärntner Biodiversitätspreis "Die goldene Apis".
Koordination: Peter Holub (Naturwissenschaftler, Pädagoge), Rolf Holub (ehemaliger Landesrat für Energie und Umwelt, Musiker, Kabarettist)
Webseite: www.senal.at
Kontakt: E-Mail: peterpaul.holub@gmail.com, Tel.: 0664 3672219
Projektträger: Verein INIZIA Verein zur Begabungs- und Begabtenförderung in Kärnten, Educational Lab am Lakeside Park Klagenfurt
Zeitrahmen: 01.06.2019 bis 31.12.2028
Unterstützung: Land Kärnten, Abteilung 8 Umwelt, Naturschutz und Klimaschutzkoordination, Stadt Klagenfurt, Lakeside Science & Technologie Park GmbH, Kelag, ÖBB, Infineon